„Ich öffne hier meine Brust, mein Herz. Das ist anstrengend.“
Autor und Präventionsarbeiter Maximilian Pollux erzählt vor SchülerInnen der MNS-Ehingen von seinem Leben als Krimineller und rückt so manche falsche Vorstellung von einem solchen Leben zurecht.
„Die kommen rein, tackeln ihn zu Boden und halten ihm die Knarre an den Kopf.“ Da ziehen die ersten SchülerInnen merklich die Luft ein, als Maximilian Pollux derart drastisch und plastisch davon erzählt, wie das SEK die damalige Wohnung seiner Eltern stürmte und statt ihm nur seinen jüngeren Bruder vorfand. „Das ist meine Schuld.“, macht er direkt im Anschluss daran klar und wiederholt damit einen Punkt, den er während des ca. dreistündigen Vortrags mehrmals hervorheben wird: Unter der eigenen Kriminalität leide die eigene Familie. Auch wenn er Jahre gebraucht habe, bis er das verstanden hat.
Heute ist der 36jährige mit seinem Verein „Sichtwaisen e.V.“ in der Präventionsarbeit aktiv, um mit seiner eigenen Geschichte andere davor zu bewahren, denselben Weg wie er zu gehen und den SchülerInnen ein realistisches Bild davon zu vermitteln, was es wirklich heißt, kriminell zu sein. Mit Blick auf die sich wieder häufenden Berichte über gewalttätige Straftaten wie vor kurzem etwa in Augsburg, und immer wieder vorkommenden Fällen von Gewalt unter und von jungen Menschen, kommt der Prävention solcher Taten besonders Gewicht zu.
Daher lud die Magdalena-Neff-Schule Maximilian Pollux am 09. Und 10.12.2019 auch als Referent ein. Insgesamt ca. 60 SchülerInnen erzählte er in drei Workshops von seinem Leben und ließ sie Teil haben an seinen Erlebnissen. Klar ist dabei sein Anspruch, seine eigenen Erfahrungen für sich sprechen zu lassen und mit seinen eigenen Erfahrungen von den SchülerInnen ernstgenommen zu werden. „Manche Dinge muss man erleben, um davon berichten zu können.“
Und erlebt hat er viel: Erste Diebstähle mit 12 Jahren, mit 13 Jahren das erste Mal als Drogenkurier unterwegs, mit 14 die erste Hausdurchsuchung und der erste Jugendarrest, die bewusste Entscheidung für die „Karriere‘“ als Krimineller, mit 19 der Haftbefehl, zwei Jahre Flucht, mit 21 die Verhaftung und anschließend 10 Jahre Haft, in dieser Zeit der Entschluss, etwas zu ändern.
Bei seinen Erzählungen nimmt er kein Blatt vor den Mund. Greifbar und nachvollziehbar soll alles für die SchülerInnen sein. Daher ruft Pollux sie auch immer wieder dazu auf, sich selbst in dieser Situation vorzustellen. So fragt er etwa seine ZuhörerInnen, wer bei ihnen mit ihm Raum stehen würde, wenn die Polizei eine Hausdurchsuchung bei ihnen durchführen würde.
Die SchülerInnen sind merklich dabei. Still ist es, während man gebannt zuhört und erkennbar peinlich, als dann doch jemand vergessen hat sein Handy auszuschalten. Pollux nimmt es mit Humor. „Das war jetzt aber wirklich ein Handy!“ Solle man übrigens wegwerfen, wenn man auf der Flucht ist.
Ernst wird er spätestens immer dann, wenn es um das Thema Verantwortung geht Diese Frage zieht sich als einer der roten Fäden durch seinen Workshop. Oft hätten junge Menschen ein falsches Bild davon, was es wirklich bedeutet, kriminell zu sein und welche Folgen ein Leben in der Kriminalität hat. Das sei ihm selbst auch lange nicht bewusst gewesen und erst nachdem er in Haft war, sei ihm klar geworden, was es wirklich heißt, weggesperrt zu sein.
In manchen SchülerInnen wirkt das Gehörte am Ende des Workshops nach. Einige fragen nach dem Buch von Pollux, obwohl sie nach eigener Aussage eigentlich gar nicht lesen. Andere warten auf die Pause, um nochmal unter vier Augen mit dem Referenten zu sprechen. Manche fanden die Abwechslung zum Unterrichtsalltag cool, andere hatten beim Zuhören Tränen in den Augen. Seine Möglichkeiten sieht Pollux selbst aber realistisch: „Ich kann nicht alle retten. Aber wenn ich ein oder zwei erreiche, dann ist was erreicht.“ Er selbst könne nur den Anstoß geben, damit in den SchülerInnen Denk- und Reflexionsprozesse einsetzen. Die Weiterarbeit müsse er dann an die Nachbearbeitung im Unterricht in der Schule abgeben.