„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ weiß der Volksmund über eines der elementarsten Bedürfnisse des Menschen. Aber nicht allein der Verzehr, auch Geschmack, Geruch, Haptik und Aussehen von Nahrung sind für uns dabei besonders wichtig – das Auge isst bekanntlich mit. Was frühere Generationen damit für Alltagserfahrungen gemacht haben, spielt in Wissenschaft und Unterricht bis heute kaum eine Rolle. Grund genug, den Geschichtsunterricht einmal in die Küche zu verlegen: Die Klasse 13/1 des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums an der Magdalena-Neff-Schule Ehingen durfte wenige Tage nach dem schriftlichen Abitur Mangel und Überfluss auf dem Essteller im 19. und 20. Jh. am eigenen Leib erleben.
Vorausgegangen waren dem Projekttag „Historisches Kochen“ drei ernährungsgeschichtliche Unterrichtsprojekte unter der Leitung von Svenja Herzog, Luise Lauer (beide Ernährung) und Marc Kalwellis (Geschichte), in denen sich die Schüler/innen mit der Ernährung in den letzten 200 Jahren, aber auch mit Rahmenbedingungen z.B. in der Landwirtschaft und im Lebensmittelhandel beschäftigten. Nach so viel Theorie folgte jetzt die Praxis, um das Gelernte einmal real erfahrbar zu machen. Eine Gruppe von Schüler/innen war z.B. damit beschäftigt, stundenlang eine Suppe aus Kartoffeln und einer Handvoll Graupen und Erbsen zu kochen, die zwar sättigte, aber in Farbe und Form doch auch sehr an Tapetenkleister erinnerte. Dazu gab es selbstgebackenes „Adenauerbrot“: Ein Brot aus Gersten-, Mais-, Reismehl und Kleie, das der spätere Bundeskanzler 1915 als Kölner Stadtverordneter erfand, um die Bevölkerung durch den Ersten Weltkrieg zu bringen. Hier war es vor allem die leicht zerbröselnde Konsistenz und natürlich der ungewohnte Geschmack, den die Schüler/innen als gewöhnungsbedürftig empfanden. Eine zweite Gruppe kümmerte sich währenddessen um den Hauptgang: Pasta mit Tomatensoße, wie sie bei den heimkehrenden Italienurlaubern der Wirtschaftswunderjahre beliebt wurde und Ende der 1950er Jahre als Fertiggericht auf den deutschen Markt kam. Doch Vorsicht: Wer dabei an Olivenöl, Knoblauch, Basilikum, Oregano oder Parmesan dachte, wurde schnell eines Besseren belehrt: Als echt italienische Zutaten noch verzollt werden mussten und daher rar und teuer waren, behalf man sich mit Eiernudeln, einer Mehlschwitze mit Tomatenmark, etwas Gemüsebrühe und Emmentaler. Immerhin mit gutem Ergebnis, so die Mehrheit der Schüler/innen, die beide Versionen ausprobieren durften. Eine dritte Gruppe war schließlich für den Nachtisch zuständig: Zwei Kirschkuchen nach Rezepten von 1905 und 1918. Hier fiel vor allem die Verwendung von Ersatzstoffen im Kriegsrezept ins Gewicht: Der normale Kuchen mit einer Tasse Bohnenkaffee und Kondensmilch erfreute sich großer Zustimmung, während die 1918er-Version aus Kartoffelmehl, Ei-Ersatz, halb so viel Zucker und einem Fünftel so viel Butter mit einer Tasse Muckefuck und Magermilch ebenso klar durchfiel.
„Unfassbar, dass sich unsere (Ur-)Urgroßeltern über Jahre hinweg so ernähren mussten“, lautete das einstimmige Urteil und eine Schülerin kommentierte abschließend: „Da merkt man erst, wie gut es uns heute geht. Die Hausfrauen früher haben ja mit ihren Zutaten regelrecht gezaubert!“